Im Backstrapweaving-Forum fragte vorige Woche eine Teilnehmerin nach dem Chichilla-Muster.
Das ist eine Form der Augenmuster – ähnlich ñawi awapa – die in der traditionellen Weberei Südamerikas für Gewebekanten oder Schnuren benutzt werden.
![Chichilla Nilda](https://langsamweben.com/wp-content/uploads/2019/04/chichilla-nilda.jpg?w=584)
Bildquelle: „Secrets of Spinning, Weaving and Knitting in the Peruvian Highlands“; Nilda Callañaupa Alvarez; Fotos von Diana Hendrickson
Ich kannte das Muster zwar aus Nildas Buch und hatte schon einmal daran gedacht es zu weben, es war aber nichts, was ich unbedingt gleich ausprobieren mußte. Das sollte sich ganz schnell ändern.
Laverne meinte auf die Frage im Forum, daß sie dieses Muster vielleicht später einmal veröffentlichen will und es in manchen ihrer Workshops lehrt. Allerdings nur an Leute, „die dazu schon bereit sind“.
Diese Aussage weckte meinen inneren Bloodhound! Ich hatte früher in der Schule schon immer ein Problem mit Lehrern, die meinten: „Das verstehst du noch nicht! / Dazu bist du noch zu klein! / Das lernst du irgendwann später!“ usw . Hörte ich so etwas, dann stürzte ich mich auf die Bücher wie der Bluthund auf die Fährte und wollte es erst recht wissen.
Das Ergebnis diesmal:
![Chichilla](https://langsamweben.com/wp-content/uploads/2019/04/chichilla.jpg?w=584)
Die Sache hat eine kleine Vorgeschichte:
Anfang 2016 hatte ich bei ClothRoads einen Artikel über das ñawi-awapa Muster gelesen, es gefiel mir, aber ich fand keine Anleitung.
![Spindle bag 2 Kopie](https://langsamweben.com/wp-content/uploads/2019/04/spindle-bag-2-kopie.jpg?w=254&h=505)
Bild: Ñawi awapa als Gewebekante an einer Tasche
Die Bücher von Adele Cahlander hatte ich damals noch nicht. Glücklicherweise war im Internet-Artikel der Einzug auf den Kreuzstäben abgebildet. Da ich von Bildern archäologischer Funde aus Peru wußte, daß manche Gewebe mit versetzten Kettfäden hergestellt wurden, kam mir der Gedanke, daß es hier genauso funktionieren mußte, da sich rein aus dem Einzug das Muster nicht ergeben konnte. Nach etwa einer Woche probieren hatte ich es heraus, das Ergebnis war dann auch gleich eine Anleitung auf deutsch, die aber bis heute nicht veröffentlicht ist und nur für ein paar Freunde gedacht war. Als Nilda Callañaupa Alvarez 2017 in ihrem Buch „Secrets of Spinnig, Weaving and Knitting in the Peruvian Highlands“ die Anleitung auf Englisch publizierte, konnte ich vergleichen, ob ich richtig lag. Bis auf kleine Details, die aber am Ergebnis nichts änderten, hatte ich es tatsächlich geschafft.
Natürlich werde ich Laverne hier nicht in den Rücken fallen und eine Anleitung für Chichilla posten. Aber einige Hinweise geben, wie jeder selbst solche Dinge analysieren kann, wenn keine Anleitung veröffentlicht ist.
Am Anfang versuche ich immer, soviel wie möglich Informationen über das Muster zu sammeln, also vor allem gut aufgelöste Fotos des Musters und wenn möglich, des Einzuges und von Zwischenstadien beim Weben, z.B. welche Fäden gerade auf dem Webschwert sind; ob und wie viele verschiedene Litzenbündel benutzt werden. Dann sehe ich mir das Muster an und bestimme die verwendeten Fadenpaare und ihre Farben pro Reihe. Dabei achte ich darauf, welche Fäden im nächsten Fach abbinden und welche flottieren. Bei den Augenmustern ist es wichtig, zu sehen in welcher Richtung die Fäden einer Farbe / eines Fadenpaares im nächsten Fach verlaufen, sofern sie dabei abbinden. Das kann bestimmen, ob der Fachwechsel eines Fadenpaares links oder rechts vom Faden des vorhergehenden Faches erfolgt und hier vielleicht ein Dreher gemacht werden muß, wenn der Einzug diese Richtung nicht schon vorgibt.
Das Auseinander- und Zusammengehen der Augen kann sich nicht nur durch den Verlauf der Außenlinien sondern auch aus dem Einfügen von zusätzlichen Fäden zwischen die äußeren (flottierenden) Begrenzungsfäden des Auges ergeben, zum Beispiel durch das Hinzufügen der Fäden des Mittelpunktes, die sonst unsichtbar im inneren des Gewebes verlaufen. Die Gewebekanten mit Augenmuster sind so angelegt, daß der Schußfaden nur von einer Seite eingelegt wird, sich also ein schlauchförmiges Band um die Kante herum ergibt, in dem nicht benutzte Fäden verborgen sind.
Wenn ich alle o.g. Informationen gesammelt, das Muster reihenweise als farbige Kästchen aufgezeichnet habe und keine Kenntnisse über den verwendeten Einzug vorhanden sind, versuche ich, die Fadenpaare von links nach rechts entsprechend ihren Farben und ihrem Auftauchen im Gewebe auf zwei Kreuzstäben anzuordnen (geht ganz gut in Excel). Dann sehe ich mir die Reihen des Musters an. Dabei wird auffallen, daß pro Reihe manche Farben benutzt werden, manche nicht. Dann vergleiche ich das wieder mit dem Einzug auf den Kreuzstäben und kann bei dem am besten dazu passenden Kreuzstab sehen, welcher Faden benutzt und welcher in Innere verlegt wird, ob ein Dreher nötig ist und ob Fäden z.B in die Mitte eines Auges versetzt werden müssen. Das mache ich dann Reihe für Reihe im Muster, im besten Fall ergibt sich ein sauberer Einzug ohne Dreher für vier Litzenbündel wie bei Chichilla oder eine etwas komplexere Anleitung mit Drehern und Fadenversatz von Hand wie bei ñawi awapa.