Doppelgewebe mit Broschiermuster

Doubleweave with supplementary weft brocading

Eine Leserin des Blogs hat mich vor einigen Wochen auf eine interessante Sache hingewiesen. Es gibt Navajo-Teppiche, die auf beiden Seiten scheinbar ein anderes Muster haben. Die Gewebe sind als Schußrips hergestellt, die Kette ist so gut wie nicht sichtbar. Hier ist ein Beispiel:

Bildquelle: —charleysnavajorugs.com—

Bei genauerem Hinsehen ist das Muster auf der Rückseite aber nicht so verschieden von dem auf der Vorderseite, die Hell-Dunkel-Muster sind offensichtlich mit komplementären Schußfäden gewebt und nur farblich entgegengesetzt. Die roten Kästchen sind nur auf der Oberseite, das kann man mit einem zusätzlichen Broschierschuß über dem grauen Hintergrund erzeugen.

Da kam mir der Gedanke, ob schon mal jemand versucht hat, auf beiden Seiten eines Gewebes ein unterschiedliches Broschiermuster zu weben, bei dem man ziemlich frei in der Gestaltung ist, sowohl in der Wahl der Farben als auch in den Flächen des Musters. Finden konnte ich darüber nichts, also ausprobieren. Ein Doppelgewebe schien mir am besten dafür geeignet, da man zwei unabhängige Lagen hat, die man gestalten kann, wie man will.

Das Garn, was ich zu Verfügung hatte, ist nicht besonders gut geeignet, aber für die ersten Versuche mußte es reichen, hat bißchen was von „Jugend forscht“. Es ist nicht einfach, auf dem backstrap loom ohne Webblatt eine offene Struktur mit Abstand zwischen den Kettfäden zu weben, deshalb sehen die Beispiele etwas liederlich aus.

Die Versuche brachten das Ergebnis: man kann mit Doppelgewebe und komplementären Schußfäden auf jeder Seite ein anderes Muster erzeugen, unabhängig davon, was auf der jeweils anderen Seite ist. Wenn man es auf die Spitze treiben will, sieht das aus wie ein zweifarbiges Taqueté, nur mit verschiedenen Mustern und unterschiedlichen Farben je Seite. Mit der Struktur eines „richtigen“ Taqueté-Gewebes hat das aber nichts zu tun, die Schußfäden verlaufen anders in der Kette. Die Sache ist jedoch nichts für Ungeduldige und dafür würde ich dann auch beim backstrap loom ein Webblatt verwenden und vorher ein paar Versuche machen, welches Schußgarn die Kette wirklich gut abdeckt.

Wer es selbst versuchen möchte, hier gibt es eine Anleitung:

Im vorigen Post hatte ich ein Band gezeigt, an das gerollte Kanten direkt angewebt wurden. Dieses Band ist nun fast fertig, die befürchteten Schwierigkeiten mit unterschiedlichen Spannungen der Kettfäden am Rand und im Gewebe haben sich nicht eingestellt.

Normalerweise wird bei diesen Gürtelbändern bis etwa 20 cm vor das Ende der Kette gewebt und der Rest der Fäden dann geflochten. Hier habe ich was anderes probiert: das Band von der anderen Seite des Webgeräts angefangen und den Rest der Kette umwickelt. Hätte ich die Mitte flechten wollen – und solche Bänder gibt es aus Südamerika – , wäre ich um ein erneutes Einziehen des Litzenstabes nicht herumgekommen, dazu war ich aber zu faul.

Die Umwicklungen ergeben ein Schachbrettmuster, man kann so mit einem hell-dunkel-Kontrast auch andere Muster herstellen. Eine weitere Möglichkeit wäre, auf diesen Kettfäden ein Muster mit Zwirnbindung zu erzeugen.

Ketzerische Gedanken

Einiges hat sich geändert und ist nicht so gelaufen wie geplant. Die Vorbereitungen für den Museumstag im Mai und das Weberforum Mitte Juni waren für die Katz, da die Politik entschieden hat, daß Menschen sich nicht oder nur eingeschränkt treffen dürfen.

Zum Weberforum wollte ich das Weben mit unterbrochenen Kettfäden (tiklla) zeigen, so ist es nur bei einem Probestück mit dem neuen Baumwollgarn Nm10 geblieben.

Tiklla BW Probe

 

Der Kurs zum Brettchenweben in Oederan, an dem ich Ende März teilnehmen wollte, ist wegen zu wenig Interessenten ausgefallen, also habe ich selbst etwas herumprobiert.

Brettchenbänder

 

Vielleicht wird es nächstes Jahr besser, Ende Januar möchte ich im Museum Oederan einen Kurs zur Broschiertechnik auf Kettripsbändern halten. Diese Mustertechnik ist sehr einfach, man kann zum Anfang viele der zahllosen im Internet kursierenden Kreuzstichvorlagen verwenden. Das grüne Band im Bild unten ist kein reiner Kettrips, da sich das Blumenmuster sonst zu sehr in die Länge gezogen hätte.

 

Den Kurs werde ich allerdings nur halten, wenn die aktuellen Repressalien bis dahin abgeschafft sind und ich mit unverhülltem Gesicht vor die Teilnehmer treten kann.

Die derzeitige Politik und das Verhalten vieler Mitmenschen kommen mir vor, als hätte man aus dem Hexenwahn der Frühen Neuzeit nicht wirklich was gelernt. Damals wurden, bedingt durch krisenhafte Situationen, aus überschießender Angst und Panik  heraus mit Hilfe der weltlichen Macht und gestützt auf den Stand der damaligen Wissenschaft physische Existenzen von Menschen vernichtet, heute sind es  “nur” materielle. Als man den Irrtum in späterer Zeit erkannte, war bereits ein nicht wiedergutzumachender Schaden angerichtet. Allerdings hatten auch einige Personen die Umstände genutzt, um ihre Schäfchen ins Trockne zu bringen. Meiner Meinung nach lohnt es sich, einmal darüber nachzudenken…

Hexen 1451