Knotenmuster in drei Techniken

Zur Zeit gefällt mir das Weben der Muster in Baltischer Technik besonders gut, so daß ich noch ein weiteres Band aus Leinen und Wolle angefangen habe.

 

 

Beim Weben kam mir der Gedanke, ob es möglich ist, dieses Muster auch in der sehr ähnlich aussehenden Amapola-Technik, die sich von den baltischen Mustern herleitet,  doppelseitig zu weben. Dazu habe ich das Muster im Loom Pattern Editor (hier) als einseitiges Muster gezeichnet, um zu sehen, ob da überhaupt etwas vernünftiges herauskommt. Und ja, es funktioniert!

 

 

Mir fiel da noch etwas ein….

Vor einiger Zeit habe ich im Internet ein Buch gefunden, was die traditionelle Weberei in den Provinzen Canchis und Melgar in Peru beschreibt. Es heißt „La memoria del tejido: Arte textil e identidad cultural de las provincias de Canchis (Cusco) y Melgar (Puno)“, ist von 2017, die Autorin ist María Elena del Solar. Dort fand ich einen Hinweis, daß es die Baltische Technik doppelseitig in drei Farben, d.h. zwei Musterfarben und eine Grundfarbe, geben soll. Diese Technik ist nicht die Amapola-Technik! Aus Peru habe ich so ein Gewebe noch nie gesehen und in der Fachliteratur auch nichts darüber gefunden. Sollte die Autorin etwas verwechselt haben oder den befragten Weber falsch verstanden? 

„Web-Kommissar“ Bloodhound war auf der Spur!

BloodhoundTrackingLeft_Big

Wie sollte denn das funktionieren, daß das Grundgewebe auf beiden Seiten gleich ist und nur das Muster in der jeweils entgegengesetzten Farbe erscheint? Irgendwann machte es Klick, natürlich, so etwas geht nur mit Doppelgewebe! Da ich die sogenannte Reselektions-Technik im Doppelgewebe vor einiger Zeit schon für die vierfarbigen Komplementärgewebe (siehe Post Mehrfarbig…„) gelernt hatte, probierte ich es so aus. Genau das war es! Eine Beschreibung der Technik findet man oben im Abschnitt „Südamerikanische Webtechniken„.

Hier sieht man das Knotenmuster, Vorder- und Rückseite, in drei Farben doppelseitig.

 

 

Dazu die gesamte Kette mit den für das Weben notwendigen drei Litzenstäben und einem Kreuzstab für den vierten Schaft.

Das Muster muß pro Reihe zweimal eingelesen werden, einmal für die Oberseite und ein zweites Mal im Gegenfach für die Bildung des Unterfachs, um die Rückseite weben zu können. Das dauert ziemlich lange.

Ich würde mich freuen, wenn es jemand gibt, der nach der Anleitung diese Technik ausprobiert; natürlich auch über ein Bild des Ergebnisses!

 

Webtechniken

Dem Blog habe ich heute einen neuen Unterpunkt „Südamerikanische Webtechniken“ hinzugefügt.

Hier möchte ich nach und nach Techniken vorstellen, die mir besonders aufgefallen sind oder über die noch nichts, vor allem nichts deutschsprachiges,  veröffentlicht ist. Die Beschreibungen sind aus der Sicht einer Praktikerin und haben keinen wissenschaftlichen Anspruch.

Für konstruktive sachliche Hinweise zu Fehlern in meinen Texten oder für weitere Informationen zu den beschriebenen Techniken bin ich sehr dankbar.

Baltische Bänder crossover

Nachdem sich Anfang des Jahres nur sehr wenige Teilnehmer zum Weben mit dem backstrap loom eingefunden hatten und der geplante Spinnkurs mangels Nachfrage ausfiel, wollte ich eigentlich keine Webkurse mehr anbieten. Sachen, die etwas länger dauern, sowohl zu lernen als auch dann auszuführen, widersprechen scheinbar dem Zeitgeist und sind nicht von großem Interesse.

Nun ist doch noch ein Kurs zum Thema Baltische Bänder geplant, er findet Ende Januar im Museum „Die Weberei“ in Oederan statt.

Da ich die Einlesemuster schon vor längerem gelernt habe und nicht mehr viele Bänder davon vorhanden waren,  musste ich jetzt also ein paar neue machen. Hier einige aus Baumwoll-Häkelgarn mit Mustern aus Südamerika und Europa:

Baltic pickup bands

Traditionell sind die Bänder aus Leinen für die Ränder und den Hintergrund sowie aus  Wolle für die Musterfäden. Rote Wolle 30/2 hatte ich noch da und diese doppelt genommen (verzwirnt) als Musterfaden auf einer Leinenkette Nm 30/3 verwendet. Das Muster besteht aus einer (Kartoffel-)Blüte aus Peru und einem europäischen Flechtmuster.

Flowers and Plaits in progress

Wolle und Leinen verhaken sich gern miteinander, deshalb hält eine coil rod (oberes Bildende) die Kettfäden auseinander. Die Astgabel ist ein etwas rustikaler Ersatz für die Kreuzstäbe und soll nur zeigen, daß man auch ohne Kamm oder Inkle Loom, mit Stöckchen vom nächsten Strauch,  solche Bänder weben kann.

Das Probeband für das Leinen- und Wollgarn verziert jetzt einen Werkzeugbeutel.

Toolbag

An den baltischen Mustern liebe ich, daß es durch die regelmäßig zwischen den Musterfäden erscheinenden Fäden des Grundgewebes gut ersichtlich ist, wo es in der nächsten Reihe mit dem Muster weitergeht und man sich wiederholende Abschnitte gut von den schon gewebten ablesen kann und nicht immer auf die Vorlage sehen muß.

Das funktioniert auch bei der dreifarbigen litauischen Technik und so geht es mit diesem Gürtel gegenüber einem mit nur Komplementärmustern flott voran.

Belt Chili

Das was nicht so schnell geht und wo ich erst einmal eine halbe Stunde weben muß, um in einen Rhythmus zu kommen, hebe ich mir für den nächsten Winter auf. Die Kette ist 40 cm breit und besteht aus doppelt genommener Wolle Nm30/2. Diese dünnen Fäden beim Fachwechsel nicht zu zerreißen ist eine Herausforderung, aber mit Geduld funktioniert es.

Rot und Schwarz Anfang bearbeitet Kopie

 

 

Bruder Murúas Rätsel

Vor einiger Zeit las ich einen Artikel von Lynn Meisch im Natural History Magazine. Sie beschrieb Forschungsarbeiten zu einem Webmotiv auf sogenannten Fajas de Sara, das in Peru von der Zeit der Inkas bis jetzt benutzt wird. Erstmalig dokumentiert wurde es im 16. Jahrhundert zur spanischen Kolonialzeit vom Missionar Martín de Murúa, allerdings in einer sehr kryptischen Form. Im Artikel sind die Motive in einem Fundstück aus der Inka-Zeit und in Gürteln aus der heutigen Zeit abgebildet.

Irgendwo hatte ich das schon gesehen. Laverne Waddington hatte 2016 in ihrem Blog eine Weberin aus San Ignacio de Loyola (Peru) abgebildet, die Gürtel mit eben diesem Motiv und vielen Litzenstäben anfertigt.

Also versuchte ich, mit Hilfe des o.g. Artikels und den Fotos darin aus Murúas Zahlen und Buchstaben einen Webbrief zu machen. Das hatte laut Artikel  zwar die Wissenschaftlerin Sophie Desrosiers vor Jahren schon getan, eine Veröffentlichung konnte ich jedoch nicht finden. Das Muster war zunächst völlig verschoben und hatte nur in Ansätzen etwas mit dem auf den Gürteln gemeinsam. Mit einem Hinweis aus Lavernes Blog, daß die Weberin eine Intermesh-Technik benutzt und einer Vergrößerung der Artikelfotos fügte sich dann alles zusammen.

 

Sara Belt Rekonstruktion

Buntes Acrylgarn, wie es in Peru heute benutzt wird,  war schnell beschafft und nachgezwirnt, so daß ich das Muster auf einer kurzen Kette zunächst probehalber ohne die vielen Litzenstäbe von Hand – nur mit den zwei Intermesh-Reihen in Litzen – eingelesen habe. Daraus ist (mal wieder) ein Backstrap entstanden.

Sara Backstrap 1

Frech geworden wollte ich es nun wissen. Also 3 m Kette geschärt und 14 Litzenstäbe angebracht! Mir grauste es ein wenig vor dem Öffnen der Fächer mit den entfernt liegenden Litzenstäben, das geht aber besser wie gedacht.

Sara Belt Kette

 

Das Motiv (Sara – Quechua für Mais) wird von Textilhistorikern als Maiskörner interpretiert, die gerade austreiben und bewässert werden. Die Gürtel mit dem Sara-Motiv wurden bei Feierlichkeiten und religiösen Handlungen der Inkas bei der Aussaat von Mais getragen.

Das nachfolgende kurze Video zeigt das Weben eines solchen Bandes mit 14 Litzenstäben. 

Mehrfarbig – mit und ohne Plan

Im backstrapweaving-Forum auf Ravelry habe ich vor zwei Wochen einen Hinweis auf eine sehr interessante Anleitung von Annie MacHale zum Weben dreifarbiger Muster gefunden. Sie hat einseitige dreifarbige Webmuster von litauischen Gürteln analysiert und herausgefunden, wie diese gewebt werden. Der Einzug für diese Muster kam mir bekannt vor. Ich habe eine Manta aus dem Gebiet um Lares / Peru, bei der die Kette für  ein dreifarbiges Komplementärmuster auf genau diese Art geschärt war. Dieses Muster konnte ich jedoch bisher nicht weben.

Einzug dreifarbig Kopie  Musterbereich in Leinenbindung

chilli-chilli-dreifarbig-kopie.jpg

dreifarbiges Muster mit diagonalem Farbverlauf

Annies Anleitung ist für Muster, die nicht komplementär sind. Die Unterseite zeigt das melierte Grundgewebe und in den Musterbereichen ist der Schußfaden sichtbar.

Es war jedoch nicht schwierig herauszufinden, wie man das Muster (so wie in der Manta) auch auf die Unterseite bekommt.

Hier die Bilder vom nachgewebten Muster, Vorder- und Rückseite:

Das ist die Weberei „ohne Plan“ 😉 . Es ist nur schwer möglich, diese Muster in einem Webbrief so aufzuzeichnen, daß das Ganze nicht verwirrend ist. Das Muster lebt von den Flottierungen, das Hintergrundgewebe ist durch sie verdeckt. Natürlich kann man es fadengenau – für jeden Faden ein Kästchen – darstellen, bekommt aber dann durch das Hintergrundgewebe eine Ansammlung bunter Kleckse, die einen vor allem dann durcheinanderbringt, wenn man versucht, wie bei pebble weave  zu zählen. Wenn man den Aufbau der Muster einmal verstanden hat, kann man problemlos nach Foto oder einem fertigen Stück Stoff als Vorlage weben.

 

Mit drei Farben ist aber noch mehr möglich. In (1)  und (2) sind einige Arten beschrieben.

Zunächst das nicht komplementäre dreifarbige pebble-weave Muster (analog Band 15 in (1)). Dieses ist einseitig, die Unterseite zeigt das Muster nicht klar, dafür ist es nicht so schwierig zu weben.  Das Muster ist von einem Foto eines präkolumbischen Textils der Sammlung der Universität Erlangen (aus einer Veröffentlichung über experimentelle Archäologie) abgezeichnet.

Fisch dreifarbig Vorderseite Vorderseite

Fisch dreifarbig Rückseite Rückseite

Fisch Webbrief Webbrief

Das angefangene Muster im oberen Teil des Bandes ist komplementär analog der Beschreibung für Band 17 in (1) gewebt. Hier handelt es sich schon um eine spezielle Art Doppelgewebe, das Muster erscheint gegengleich auf Vorder- und Rückseite. Diese Webart ist deutlich schwieriger, da für das Muster auf der Unterseite ein zweites Fach in den richtigen Farben gebildet werden muß.

In (2) ist das Weben doppelseitig komplementär gemusterter  Textilien mit noch mehr Farben beschrieben, hier ein Beispiel mit vier Farben:

 

Das mittlere Bild zeigt alle 8 möglichen Farbvarianten. Das Schären der Kette und das Anbringen der Litzen braucht viel Zeit, das Weben geht durch die doppelte Fachbildung und das Einlesen der Muster sehr langsam. Die unteren zwei Bilder zeigen gegenüberliegende unterschiedliche Motive auf Vorder- und Rückseite des Bandes, die Stecknadel dient als Anhaltspunkt. Auch das ist möglich, es ist einfacher, als die in (2) beschriebene komplizierte Technik, dauert aber.

Auf einer Webseite habe ich ein im Original dreifarbiges Muster einer mythischen Figur auf einer Ch’uspa (Tasche für Kokablätter) gefunden. Die Tasche ist aus präkolumbischer Zeit – Chimu- oder Chancay-Kultur – und in der Art des oben gezeigten einseitigen Fischmusters gewebt.

Ich habe daraus ein vierfarbiges Muster gemacht, bei dieser Breite kann man in der Stunde maximal 2 bis 3 cm weben.

 

Frog front Kopie 2 Vorderseite

 

Frog back Kopie 2 Rückseite

 

Frosch 84MF Kopie  Webbrief

 

(1)  „The Art of Bolivian Highland Weaving“ von Adele Cahlander und Marjorie Carson;  1976

(2) „Double-Woven Treasures from Old Peru“ von Adele Cahlander und Suzanne Baizerman; 1985

Webgarn zwirnen

Voriges Jahr war ich mit der Handspinngilde in Neckeroda / Thüringen zum Färbefest. Dafür hatte ich eine ganze Menge Kammzug mit Pflanzenfarben gefärbt und diesen im vorigen Winter gesponnen. Das Spinnen mache ich gerne, das Zwirnen auf dem Spinnrad bei 400 bis 600 m Lauflänge / 100 g nicht so sehr. Ein ewiges Getrampel, trotz Doppeltritt und 1:20 Übersetzung, da das Garn zum Weben von Kettrips sehr fest sein muß.

Webgarn Naturfarben

mit natürlichen Farben gefärbtes Webgarn

 

Also mal sehen, was die Schrottkiste so hergibt, um den Spinnflügel vom Spinnrad anzutreiben. Einen alten Akkuschrauber und einen Halogentrafo mit 12 V. Die Spannung war zu hoch, der Motor lief zu schnell, also 5V-Regler und Kühlkörper dazu – passt. Der Schalter vom Akkuschrauber war auch noch da, schön, damit der Motor nicht so schnell anläuft. Auf den Motor kam eine kleine Riemenscheibe (Rolle für Gardinenschnur), ein Stück Polycord-Antriebsband vom Spinnrad verbindet Motor und Spinnflügel. Die Halter für den Spinnflügel und dieser selbst können mit wenigen Handgriffen auf das Spinnrad zurückgebaut werden.

Die Verdrahtung sieht wild aus, aber es funktioniert gut und es liegen keine Drähte mit gefährlicher Spannung frei.

Gezwirnt werden kann jetzt in der Hälfte der Zeit.

 

Elektrospinner

Elektrospinner aus dem, was gerade da war

Detail Pedal

Pedal mit Schalter vom Akkuschrauber

 

Gewebt sieht das Garn dann so aus, die grünen Flächen haben ein Spinnrichtungsmuster, es wechseln sich hier jeweils 6 x 5 Fadenpaare mit unterschiedlicher Spinn- und Zwirnrichtung ab und erzeugen ein  Muster, was auf den ersten Blick trotz der Leinwandbindung ähnlich wie ein Köper  ausssieht.

Tasche Naturfarben

traditionelle südamerikanische Muster mit handgesponnenem Garn

Langsam weben

Langsam weben.

Auf zwei Stäben.

Warum, zum Teufel, tut man sich das an? Es gibt doch so schöne Handwebstühle mit unzähligen Möglichkeiten. Technisch ausgereift, leicht zu bedienen, teuer zwar, aber es ist doch nur ein Hobby, man gönnt sich etwas Gutes, indem man so ein Ding kauft. Wirklich?

Der Blick in Länder außerhalb Europas zeigt: es geht auch anders. Textilien mit einer Mustervielfalt, deren Herstellung selbst auf einem Webstuhl  mit 16 Schäften unmöglich ist, werden seit Jahrhunderten in Mittel- und Südamerika sowie in Südostasien auf dem einfachen Gurtwebgerät (backstrap loom) angefertigt.

Die Dinge, die man für das Webgerät braucht, wachsen am Wegrand oder liegen im Gerümpel. Ein paar Haselstöcke in verschiedenen Stärken, einige alte Brettchen für die Webschwerter, eine dicke Schnur für den ersten Gurt, mehr braucht es nicht.

Nur Geduld, die sollte man reichlich haben. Denn hier geht nichts, aber auch gar nichts, schnell. So wird es HAND-WERK in seiner ursprünglichen Form: Entwurf und Ausführung sind in einer Hand vereint, die Weberin bestimmt, was gerade jetzt entstehen soll, nicht eine Maschine. Statt nur intelligenter Antrieb für ein technisches Gerät zu sein, wird man selbst ein Teil des erstaunlich simplen Webgeräts.

Dafür hat man immer jeden einzelnen Faden im Griff, kann während des Webens das Muster und den Mustertyp wechseln und in einer Komplexität weben, die mit einem europäischen Handwebstuhl rein über Einzug und Trittfolge unmöglich ist.

Selbstverständlich ist das nicht dazu gedacht, „Meter zu machen“. Wer größere Mengen gleichförmiges Gewebe benötigt, wird zum Trittwebstuhl greifen. Für kleine, möglicherweise stark gemusterte Einzelstücke, vom schmalen Band bis zur Größe einer Decke, und um das vorhandene Garn fast ohne Verluste nutzen zu können, ist das Gurtwebgerät in meinen Augen die bessere und preiswertere Lösung.

Gürtel 86MF

Neugierig?