Doppelt und Dreifach

Stabdoppelgewebe mit Webblatt auf einem Backstrap-loom? Warum nicht, man muß sich nur etwas einfallen lassen, um die endlos geschärte Kette in das Blatt einzuziehen und die gewünschte Fadendichte hinzubekommen.

Man kann die Kette auch wie beim Webstuhl aufschneiden, einziehen und an einem Stab anbinden, das verschwendet eine Menge Garn und man muß den Anfang des Gewebes nach Fertigstellung abnähen oder Fransen knüpfen.

In der Wahl der Dichte des Webblattes und auch in der Auswahl des Garns ist man mit endloser Kette nicht ganz so frei wie beim Anbinden auf einem Webstuhl. Bei mir hat es sich bewährt, je zwei Fäden von einer Farbe, also für zweifarbiges Doppelgewebe insgesamt vier Fäden in eine Lücke des Blatts einzuziehen. Das mache ich deshalb so, weil ich dann die Schlaufen am knotenfreien  Ende der endlosen Kette gleich mit dem Einziehhaken durch das Blatt fädeln und sofort auf einem der beiden Stäbe des Gurtwebgerätes aufziehen kann. Der andere Stab hält das Ende der Kette mit den Knoten für den Anfang und die Farbwechsel. Die Kreuzstäbe werden direkt nach dem Schären der Kette angebracht und dienen der Orientierung beim Einziehen des Webblatts und der Litzen. Sie bleiben später beim Weben in der Kette und helfen dabei, die Fäden in der richtigen Webbreite zu halten.

Mit der gleichmäßigen Spannung der Kettfäden gab es nach dem Einziehen keine Probleme.

Für Baumwolle 8/2 (Nm 6,7) habe ich ein Blatt 40/10 (10 dents) verwendet, bei zwei Fäden pro Farbe im Doppelgewebe entspricht das einer Fadendichte von 8 Fäden pro cm in einer Lage des Gewebes.

Da ich ein längs gestreiftes leinenbindiges Grundgewebe für Anfang und (vielleicht) Ende haben wollte, sind die Litzenstäbe anders eingezogen als bei z.B. nordeuropäischem Stabdoppelgewebe. Litzenstab 1 ist hell, Litzenstab 2 ist dunkel, 3 und 4 entsprechend genauso. Auf den Kreuzstäben liegen die Farben jedoch zwei hell/ zwei dunkel nebeneinander. Genauso gehen sie auch durch die Schlitze des Blatts, die zwei Fäden der hellen Gewebelage zusammen mit den korrespondierenden zwei Fäden der dunklen Gewebelage. Die Übersicht beim Einlesen der Fäden für das Muster wird dadurch sehr verbessert.

Damit das Ausheben der gesamten Fäden einer Farbe bei diesem Einzug nicht zum Kampf mit den Litzenstäben wird, liegt die helle Farbe auf einer Rolle hinter allen vier Litzenstäben, die zwei Stäbe mit  dunkle Farbe werden bei Gebrauch einzeln ausgehoben und an der Weblinie mit Hilfe der Webschwerter vereinigt. Das geht schneller, als man es aufschreiben kann.

Gewebt habe ich Muster aus dem vorspanischen Peru, der hochauflösenden Fotos von Museumsobjekten, die es jetzt gibt, sei Dank. Die Webart ist Finnweave, eine Variante des Stabdoppelgewebes, die auf der Vorderseite exakte horizontale und vertikale Linien produziert, in dem mehr Fäden der Musterfarbe auf dieser Seite als auf der Unterseite verwendet werden. Dadurch ist das Muster aber nicht auf beiden Seiten gleich gut vorhanden.

Man kann mit einem Backstrap-loom Gewebe herstellen, die vier feste Seiten haben, allerdings nicht, wenn man ein Webblatt verwendet. Oder doch? Kommt drauf an😉! Wenn man komplette Schlaufen der Kette durch die Schlitze des Blatts zieht und dann von der anderen Seite (der mit den Knoten) das Weben beginnt, die Seite mit den Schlaufen nicht anwebt, also auch keine Anfangsschnur verwendet, sondern die Kette nur provisorisch festsetzt, dann geht das schon. Das Webblatt kann man entfernen, wenn man nahe am Ende ist und die letzten cm ohne dieses weiterweben.

Doppelgewebe im alten Peru wurden als vierseitig abgeschlossene Gewebe nach gängiger Lehrmeinung ohne Webblatt hergestellt. Bei den ganz alten Sachen ist das sicher so, das Webblatt wie wir es kennen wurde wahrscheinlich um 500 u.Z. in Asien erfunden und kam im Mittelalter nach Europa. Wenn ich mir diesen Kamm aus einem Chancay-Webkörbchen (um 1300 bis 1500 u.Z.) ansehe, habe ich so meine Zweifel, ob diese Weber nicht auch schon eine Art  Webblatt kannten und es wieder aus der Kette entfernten, wenn sie das Ende weben wollten.

Chancay-Fadenkamm, ca. 1300 -1500 A.D.

Der Kamm sieht von seiner Machart aus wie ein halbfertiges Webblatt, nur eine Seite ist gebunden. Zum Anschlagen von Bildgeweben erscheint er mir zu schwach gebaut.

Allerdings muß man dazu zumindest einen Litzenstab für ein leinenbindiges Grundgewebe als Abschluß neu einziehen, das andere Fach läuft wie gewohnt über eine Rolle. Es gibt neuerdings auch Webblätter für Handweber, die man zum Einziehen oder Entfernen oben öffnen kann, allerdings nicht hier in Europa und zu exorbitanten Preisen. Braucht man nicht wirklich.

Die Herstellung eines Webblatts mit einfachen “Hausmitteln” ist nämlich gar nicht so schwierig. Auf die Idee gebracht hat mich Tracy Hudson mit ihrer Beschreibung, wie ein japanisches Webblatt aus Bambus hergestellt wird.

https://www.einesaite.com/blog/einesaite/2017/11/7/bamboo-reeds-continued

Das ist freilich die Königsklasse, so fein brauche ich es gar nicht und auch nicht so groß, ich wollte nur mal schnell ein Band aus einem Buch ausprobieren. Herausgekommen ist das hier:

Ein Webblatt für ein Band, was sind denn das für Flausen? Das Band hat es aber in sich, es ist ein Tripelgewebe, 6 Schäfte, drei Farben, auf der Oberseite dreifarbiges Finnweave und unten zweifarbiges Doppelgewebe. Wieder mal zu lange “Double-woven Treasures from Old Peru” gelesen. Gerade hatte ich Finnweave in zwei Farben richtig begriffen und es fing an Spaß zu machen, da mußte es noch bunter werden! Bloß Leinenbindung gleichmäßig mit Abstand zwischen den Kettfäden weben, will mir ohne Webblatt trotz coil-rod und Breithalter schon bei zwei Farben nicht gelingen. Ein gutes Webblatt für ein Band kleinsägen läßt mein innerer Schotte nicht zu, also eins bauen, möglichst mit Material aus der Gerümpelkiste. Das größte Problem waren gleichmäßig breite Hölzer für die Stege des Blatts. Mir fielen Eisstiele in die Hände, die sahen gut aus, aber ob sie nicht mit ihren 2 mm zu stark sind? Mit einer Schnur von 1,3mm Stärke zum Binden des Blatts kam ich auf eine Dichte von 33/10, die Zwischenräume sind recht eng, aber mit Garn Nm 5,6 funktioniert es.

Das Band hat als Grundfarbe Grün und als Musterfarben Gelb und Rot. Alle drei Farben können als Layer eines Tripelgewebes einzeln gewebt werden, so wie in den Anfangs- und Endstreifen des Bandes. Entsprechend braucht man drei Schußfäden in den drei Farben. Die Schußfäden umschlingen sich am Rand des Gewebes um diesen zu schließen.

Die Oberseite des Bandes ist dreifabiges Finnweave, auf der Unterseite ist zweifarbiges Stabdoppelgewebe mit doppeltem Schuß in einer Farbe für jede Musterreihe. Deshalb ist das Muster dort auch an den Seiten nicht so exakt wie bei Finnweave, es “flattert” ein bißchen.

Warum haben die alten Peruaner Tripelgewebe hergestellt? Archäologen würden vielleicht einen spirituellen Hintergrund vermuten, das Original des Bandes stammt von einer Ausgrabung in  Ocucaje/ Peru und wurde etwa um 900 v.u.Z. angefertigt, zur Zeit der Chavin-Kultur. Die drei Welten der Andenvölker, eine davon im Inneren verborgen oder so.  Es hat wohl gewöhnlichere Gründe: das Gewebe wird auf diese Art schön fest und gleichmäßig, da alle Fäden immer abgebunden werden und keine im Inneren flottieren, was die Spannung der Kette durcheinanderbringt.

Beim Weben des Bandes habe ich mich erst einmal eine ganze Weile an der Anleitung festhalten müssen, bis ich begriffen hatte, wie das mit den drei Farben geht. Vor allem das Weben der  Unterseite war am Anfang unverständlich, bis ich herausbekam, daß dafür die zweite Musterfarbe in einer ganz bestimmten Weise als Komplementärpartner der auf der Oberseite verwendeten Musterfarbe nach unten gebracht werden muß.

Das Weben braucht sehr viel Zeit, für eine Reihe im Muster sind neben dem Einlesen von Hand zwei oder vier Schüsse und entsprechende Fachbildung im Doppelgewebe notwendig.

Das Band mit dem Muster aus dem alten Peru ist nun fertig und lang genug, um daraus eine kleine Tasche für Stifte zu nähen. Es ist ein Stück Kette übrig, da werde ich mal etwas herumprobieren, was mit dieser Technik noch möglich ist.

Ein sehr schönes Band als Tripelgewebe habe ich auf der Seite des Metropolitan Museum of Art gefunden, das Muster soll laut Beschreibung doppelseitig sein, leider gibt es kein Foto der Rückseite.

Metropolitan Museum of Art
Objekt-Nr. 2001.172

Zufällig in den gleichen Farben, die ich für mein Band verwendet habe, aber mit der doppelten Fadenzahl. Ich höre meinen inneren Schweinehund schon kichern:”Es gibt doch jetzt ein kurzes Webblatt, Muster dreifarbig doppelseitig, wäre das was?”  Mal sehen.

Da es so aussieht, als würde ich lieber Webtechniken sammeln statt auch mal etwas fertig zu stellen, hier noch ein Bild von der nun endlich zusammengesetzten blauen Tasche:

Das Trageband habe ich noch mal neu gewebt, mir haben die Farben des ersten Versuchs nicht so gefallen. Es ist ein einfaches Amapola-Muster mit Variationen in den Musterfarben entlang des Bandes. Sonst wird es langweilig.